«Die Ursachen müssen angegangen werden»

Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 6. Mai 2021

(Symbolbild: Pixabay)

Einige Depressionen treten wellenförmig auf. Wann die Rückfallgefahr gross ist und was die Frühwarnzeichen sind, sagt Hanspeter Flury, Chefarzt für Psychiatrie in Rheinfelden.

Herr Flury, wie äussert sich eine Depression?
Letztlich ist es eine Kombination von Symptomen, die eine Depression ausmacht, wenn sie mehr als zwei Wochen anhält: Energie- und Antriebsmangel, ständiges Grübeln, Konzentrationsstörungen sowie eine Stimmungstrübung mit Pessimismus, meist begleitet von innerer Unruhe. Diese Symptome beginnen oft schleichend, etwa mit Schlafproblemen oder Nervosität.

Wann ist professionelle Hilfe angezeigt?
Wenn die Schlafprobleme anhalten, die Stimmung sich zunehmend trübt und die Energie abnimmt, kommt es zur Abwärtsspirale. Auch dann, wenn jemand sich trotz Ferien nicht mehr erholen kann oder anfängt, dagegen anzutrinken. Oft merkt das Umfeld, dass sich jemand immer mehr zurückzieht. Ein Notfall ist es, wenn Suizidgedanken hinzukommen.

Wie sieht die Behandlung aus?
Körperliche Krankheiten für eine Depression müssen ausgeschlossen werden, etwa Eisenmangel. Sonst braucht es eine Psychotherapie, bei schweren Formen ergänzt durch Medikamente. In der Therapie gilt es, die Depression zu erkennen, nicht in dieser Endzeitstimmung gefangen zu bleiben, sondern zu vermitteln, dass diese Krankheit bei Behandlung eine gute Prognose hat. Denn Depressionen blockieren die Hoffnung. Wir Menschen sind aber Hoffnungswesen. Wenn die Symptome abklingen, werden die Ursachen angegangen. Etwa Belastungen von aussen. Das hilft, die Depression zu bessern, aber auch Rückfälle zu verhindern.

Hanspeter Flury arbeitet als Facharzt für Psychiatrie in der Klinik Schützen Rheinfelden.

Ist die Rückfallgefahr gross?
Depressionen sind gut behandelbar. Bei gewissen Formen treten häufiger Rückfälle auf, etwa bei bipolaren Störungen, bei denen man das stetige Auf und Ab mit Medikamenten ausgleicht. Bei Belastungsdepressionen kann es zu Rückfällen kommen, wenn erneut Belastungen auftreten. Eine gute Prognose hat, wer sich auf eine Therapie einlassen kann. Je impulsiver und ungeduldiger jemand mit sich umgeht, desto schwieriger wird der Weg.

Was sind Alarmsignale für einen Rückfall?
Die erwähnten Frühwarnzeichen wie Schlafprobleme oder trübe Stimmung. Rückfälle treten häufiger auf, wenn sich jemand nicht ganz erholt hat. Und wenn Medikamente zu früh abgesetzt werden, die Therapie abgebrochen wird und Belastungen zu wenig bearbeitet sind.

Was können Betroffene und Angehörige tun?
Betroffene müssen den Umgang mit Belastungen lernen. Angehörige müssen lernen, ihre Anliegen zu kommunizieren. Sie sollen ihre Sorgen äussern und Hilfe anbieten – taktvoll, aber nicht vorwurfsvoll.

 

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