«Johanniskraut wirkt sehr gut»

 Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 18. Februar 2021

Bei psychischen Erkrankungen kommen vermehrt Heilpflanzen zum Einsatz. Was gegen eine Depression helfen kann, sagt der Psychiater und Neurologe Martin Keck.

Herr Keck, warum blüht die Pflanzenheilkunde in der Psychiatrie neu auf?
Die sogenannte Phytotherapie war schon immer ein ganz wichtiger Pfeiler in der Komplementärmedizin. Sie ist jetzt aber auch durch Studienergebnisse evidenzbasiert, also wissenschaftlich untersucht. Es besteht kein Zweifel mehr, dass diese «rationale Phytotherapie» wirkt. Sie muss einfach richtig eingesetzt werden. Auch Patienten fragen als Ergänzung zur Schulmedizin häufig danach, sehr oft auch bei einer Depression.

Was sind die Anzeichen einer Depression?
Die Vorstufe einer Depression ist oft eine Erschöpfung, ein Burnout. Sich nicht mehr erholen zu können, Schlafstörungen und ständiges Grübeln sind ebenso Frühwarnzeichen. Keine Freude oder nichts mehr zu empfinden, könnte in die Suizidalität münden. Das ist immer ein Notfall.

Welches pflanzliche Präparat hilft bei Depressionen?
Sehr gut untersucht ist das Johanniskraut bei leichten bis mittelschweren Depressionen. Hier sehen wir keinen Unterschied zu anderen Medikamenten. Bestimmte Präparate mit Johanniskraut sind sehr gut verträglich, sodass wir insbesondere bei älteren Personen, welche oftmals weitere Tabletten einnehmen, keine Wechselwirkungen befürchten müssen.

Martin Keck, Professor und Chefarzt Psychotherapeutische Neurologie, Kliniken Schmieder, Gailingen (D)
www.martinkeck.info

Trotzdem sind Nebenwirkungen möglich?
Auch ein pflanzliches Präparat sollten Sie nie auf eigene Faust einnehmen. Zudem müssen andere Erkrankungen abgeklärt sein. Wie bei anderen Medikamenten auch könnten kurzzeitig Magen-Darm-Beschwerden, Schwitzen oder Kopfschmerzen auftreten. Das Hyperforin im Johanniskraut löst eine Verstärkung oder Abschwächung weiterer Medikamente aus. Es gibt aber Präparate, in denen diese Substanz kaum vorhanden ist.

Wie wirkt Johanniskraut?
Wir wissen, dass es auch über die sogenannte Serotonin-Wiederaufnahmehemmung wirkt. Diese erhöht die Konzentration des «Glückshormons» Serotonin im Gehirn. Zudem normalisiert die Heilpflanze die Funktion der gestressten Nervenzellmembran, was wir so von anderen Antidepressiva nicht kennen. Da die Wirkung erst nach zwei bis drei Wochen eintritt, sollten Betroffene den Mut nicht verlieren und in der Zwischenzeit eine Psychotherapie beginnen.

Helfen weitere Heilpflanzen bei einer Depression?
Bei Angstsymptomen ist Lavendel gut untersucht, gegen Stress auch Rosenwurz und bei Schlafstörungen die Schlafbeere. Kapseln mit Baldrian und Hopfen helfen ebenfalls bei Stress. Die Kombination ist das Geheimnis. Ganz wichtig ist eine standardisierte Produktion der Arzneimittel, damit die Menge, der Boden oder die Sonnendauer für die Heilpflanze immer gleich bleibt.

 

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