Wunderwaffe Fieber

Von Danica Gröhlich 27. Januar 2021

Ist Fieber heilsam oder doch ein Grund zur Besorgnis? (iStock)

Unsere Körpertemperatur ist ein wichtiger Gradmesser. Die brennendsten Fragen zu Fieber beantwortet Thomas Rosemann, Leiter am Institut für Hausarztmedizin der Universität Zürich.

Herr Professor Rosemann, warum bekommen wir denn Fieber?
Eigentlich ist Fieber eine ganz natürliche Reaktion des Körpers, in der Regel auf eine Infektion. Dabei ist Fieber Ausdruck einer allgemeinen Abwehrreaktion. Indem der Körper die Temperatur erhöht, versucht er es den Viren oder Bakterien schwerer zu machen. Denn diese fühlen sich bei normaler Körpertemperatur am wohlsten. Unser Organismus will mit Fieber deren Vermehrung reduzieren und das Immunsystem ankurbeln. Der Temperaturanstieg zeigt somit eine Immunkompetenz an, also eine angemessene Antwort eines Organismus auf einen Erreger. Wichtig ist zu wissen: Fieber an sich ist nichts schlechtes, es wird vom Menschen nur als unangenehm wahrgenommen.

Besonders, wenn noch Schüttelfrost dazukommt.
In der Tat. Begleiterscheinungen wie Schüttelfrost, welche mit dem Fieber einhergehen, belasten uns noch zusätzlich. Dabei versucht die Muskulatur mit Schüttelfrost aber nur schnell mitzuwirken und durch das Zittern die Temperatur zu erhöhen. Als unangenehm empfinden wir dies, weil es passiv passiert und wir die Muskeln nicht gezielt aktiv bewegen wie etwa beim Krafttraining. Zudem wird es eben vom Gefühl des «Fröstelns» begleitet.

Sind Fiebersenker ratsam oder müssen wir etwas ausschwitzen?
Ich halte den Begriff «ausschwitzen» für sehr irreführend. Denn die Haut hat keine Filter und kann somit auch keine Substanzen durch Schweiss ausscheiden. Wir können also nicht wirklich etwas ausschwitzen. Wie gesagt, ist Fieber eine normale Körperreaktion. Deshalb muss man nichts unternehmen. Es sei denn, die Kreislaufbelastung wird sehr hoch, was wir beispielsweise an einem stark erhöhten Puls ablesen können. Dies kann insbesondere ältere Menschen oder Menschen mit einem vorgeschädigten Herz stark belasten. Dann könnten fiebersenkende Medikamente wie Paracetamol angezeigt sein. Auch kalte Wadenwickel sind eine gute Möglichkeit, Fieber ohne Medikamente herunterzubringen. Wichtig ist bei Fieber aber auf jeden Fall, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, um den Verlust auszugleichen.

Weil Fieber eine normale Immunantwort ist, zeigen Studien, dass es für die Abwehr eines Infektes sogar nachteilig sein kann, das Fieber zu senken. Ein oder zwei Tage sind für einen  gesunden Erwachsenen tolerierbar. Sollte das Fieber allerdings über 40 Grad steigen und sich nicht senken lassen oder mehr als zwei Tage nicht weggehen, dann ist es besser, einen Arzt oder ein Spital aufzusuchen. Die Temperatur alleine ist jedoch nur ein Indikator. Wichtig ist auch, wie es einem dabei subjektiv geht. Etwa, ob noch weitere Beschwerden dazukommen, sei es seitens der Atmung bei grippalen Infekten oder sei es durch Erbrechen oder Durchfall bei einem gastrointestinalen Infekt. Wobei auch hier gilt, dass sich gastrointestinale Infekte meist immer selbst limitieren und Medikamente wie Antibiotika nicht angezeigt sind. Wichtig ist der Flüssigkeitsausgleich.

Prof. Dr. med. Thomas Rosemann, PhD, Institut für Hausarztmedizin, Universität Zürich (zVg.)

Was raten Sie Eltern mit einem fiebernden Kind daheim?
Wenn die Temperatur wirklich sehr hoch ist, also 40 Grad überschreitet, und sich durch Medikamente oder Wadenwickel nicht senken lässt, dann sollten Sie mit Ihrem Kind besser einen Arzt aufsuchen. Wenn über mehrere Stunden kein Absinken feststellbar ist, dann ist das sicher ein Grund, sich Hilfe zu holen.

Wie messen wir Fieber korrekt?
Dafür müssen wir wissen, dass sich diese Grad-Angaben zur Definition von Fieber immer auf die Körperkerntemperatur, also die Temperatur im Inneren des Körpers beziehen. Das deutet schon an, dass es ein bisschen schwierig wird, an der Stirn zu messen. Deshalb ist nach wie vor die zuverlässigste Methode die rektale Messung oder auf gut Deutsch: mit dem Fiebermesser im Hintern. Dies ist heute etwas aus der Mode gekommen, aber eigentlich die zuverlässigste Messung. Alternativ empfehle ich deswegen, die Temperatur mit dem klassischen Thermometer unter der Zunge zu ermitteln. Die Spitze muss dabei aber wirklich unter der Zunge liegen und der Mund muss geschlossen sein.

Dann sind Stirn-Thermometer nicht zuverlässig?
Nicht wirklich, denn Stirn-Thermometer unterschätzen die Temperatur oft und zudem kann es zu einer grossen Streuung der Messwerte kommen. Im Rahmen eines Tests verschiedener Messmethoden bekamen wir unterschiedliche Werte, selbst, wenn wir dieselbe Person unmittelbar hintereinander mehrfach gemessen haben. Die Messung im Ohr ist dagegen wieder relativ genau, allerdings mit einer Einschränkung: Man muss wirklich das Trommelfell treffen, um dessen Durchblutung zu messen. Trifft man nur den Gehörgang, dann sind Fehler möglich. Besorgten Eltern rate ich, beim Kind unter der Zunge Fieber zu messen. Falls es das Kind aber toleriert, dann ist die rektale Methode immer noch die genauste. Übrigens waren die dazu verwendeten einfachen Thermometer auch noch die günstigsten Fiebermesser im Test – bei sehr exakten Resultaten.

Seit der Corona-Pandemie wird ständig Temperatur gemessen: Was weiss man inzwischen über das Virus und Fieber?
Corona, oder korrekt gesagt das SARS-CoV-2, unterscheidet sich im Hinblick auf die Immunantwort des Körpers nicht grundsätzlich von anderen Viren, die wir schon kennen. Wir sehen bei Corona die ganze Bandbreite an Reaktionen, von symptomlosen Verläufen über Verläufe mit hohem Fieber, wie wir sie von der Influenza kennen, der typischen Wintergrippe, oder auch einem banalen grippalen Infekt. Der Unterschied liegt hier im Wesentlichen in der weitaus höheren Gefahr schwerer oder tödlicher Verläufe. Zudem scheinen mehr Patienten langfristige Beeinträchtigungen zu erleiden.

Es existieren auch Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Fieber und Krebs herstellen.
Wir wissen aus Beobachtungsstudien, dass Menschen, die in ihrem Leben öfters hochfieberhafte Infekte hatten, ein etwas niedrigeres Risiko aufweisen, an Krebs zu erkranken. Das ist durchaus plausibel, weil der Körper bei Fieber das Immunsystem intensiv aktiviert. Ein funktionierendes Immunsystem wiederum ist essentiell, um die Tumorzellen, die täglich in unserem Körper natürlicherweise entstehen, abzutöten. Bei Menschen mit HIV, also einem erworbenem Defekt des Immunsystems, sehen wir, wie diese im Rahmen der AIDS-Erkrankung Tumore entwickeln. Dies belegt auf bedauerliche, aber eindrucksvolle Weise, wie wichtig das Immunsystem für die Unterdrückung von Tumoren ist. Wenn wir also einen fieberhaften Infekt haben, schicken wir unser Immunsystem ins «Trainingslager» und wir sollten das Fieber nicht unterdrücken. Übrigens wird auch durch eine Impfung ein ähnlicher «Trainingseffekt» erzielt, weil diese das Immunsystem vergleichbar anregt, ohne aber die Erkrankung auszulösen. Deshalb sind Muskelschmerzen oder leichte Temperatur nach einer Impfung keine «Nebenwirkungen», sondern Ausdruck einer erwünschten Immunantwort.


Temperatur oder bereits Fieber?

Ärztinnen und Ärzte sprechen nach Messwerten bis zu 37,4 Grad von einer normalen Körpertemperatur, bei über 37,5 Grad von erhöhter Temperatur. Ab 38 Grad haben Erwachsene Fieber. Bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis 16 Jahren gelten 38,5 Grad und mehr als Fieber.


Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «Gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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