«Rasches Handeln rettet Leben»

 Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 21. Januar 2021

Nach einem Hirnschlag zählt jede Minute. Der Neurologe Urs Fischer sagt, bei welchen Anzeichen Sie sofort den Notruf 144 wählen müssen.

Herr Fischer, wie erkennen Angehörige einen Hirnschlag?
Laien können einen Hirnschlag, auch Schlaganfall oder «Schlägli» genannt, mit dem englischen Merksatz «BE FAST!» («Sei schnell!») erkennen: Balance, Eye, Face, Arm, Speech, Time. Balance steht dabei für eine akute Gleichgewichtsstörung, Eye für akute Blindheit, oft nur auf einem Auge, oder akute Doppelbilder. Für Face bitten Sie die Person zu lachen. Steht der Mund dann schief? Arm steht für plötzliche Lähmung oder Gefühlsstörung eines Arms oder Beins. Speech weist auf akute Sprachstörungen hin. Dann keine Zeit (Time) verlieren und über die Nummer 144 Hilfe holen für die Einweisung in ein Stroke Center oder eine Stroke Unit.

Warum zählt jede Minute?
Bei bis zu 85 Prozent der Fälle liegt eine Durchblutungsstörung vor. Dabei verstopft ein Gerinnsel ein Blutgefäss. In der Folge bekommt das Hirn zu wenig Blut, Sauerstoff und Nährstoffe: Das Hirngewebe stirbt ab. Deshalb müssen wir das Blutgefäss schnell wieder öffnen, indem wir als Akuttherapie ein Medikament spritzen. Ist ein grösseres Gefäss verstopft, entfernen wir mit einem Katheter das Gerinnsel. Bei den übrigen Fällen mit einer Hirnblutung ist ein Gefäss geplatzt, und das Blut ergiesst sich ins Gehirn. Es kommt zu einer Zerstörung von Hirngewebe. Mit einer raschen Behandlung kann Betroffenen eine Behinderung erspart und die Lebensqualität verbessert werden.

Urs Fischer ist Professor für Akutneurologie und Stroke und leitet am Berner Inselspital die Akutneurologie.

Was sind mögliche Auslöser?
Oft ist die Ursache für eine Durchblutungsstörung ein Gerinnsel aus dem Herz, das im Hirn stecken bleibt. Eine Verkalkung mit Verschluss eines grossen Gefässes wie der Halsschlagader kann ebenfalls einen Hirnschlag verursachen. Wichtigster Risikofaktor für ein Gerinnsel oder eine Verkalkung ist ein hoher Bluthochdruck, gefolgt von Diabetes und Bewegungsmangel. Eine familiäre Häufung für Gefässerkrankungen kann ebenso bestehen.

Wen trifft ein Hirnschlag?
Im Jahr erleiden rund 16 000 Menschen in der Schweiz einen Hirnschlag. Das sind mehr als 40 Personen pro Tag. Die Fälle nehmen mit steigendem Alter zu. Aber auch Junge oder Kin-der können einen Schlaganfall haben. Frauen sind öfter betroffen. Bei einem Viertel der Personen tritt der Hirnschlag nachts auf.

Was kann man tun, um sich zu schützen?
Wichtig ist ein gesunder Lebensstil mit regelmässiger körperlicher Bewegung, gesunder Er-nährung, möglichst ohne Tabak-und mit wenig Alkoholkonsum. Zudem sollten Sie einen hohen Blutdruck oder ein mögliches Vorhofflimmern behandeln lassen. Früher war ein Hirnschlag ein unabwendbarer Schicksalsschlag, heute eine behandelbare Erkrankung – wenn schnell reagiert wird.

 

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