«Das war ein Wink von oben»

Von Christian Franzoso, 23. Dezember 2020

Wo er Kraft tankt: TV- und Radio-Moderator Ruedi Josuran am Zürichsee. (Chr. Franzoso)

Herzinfarkt, Burn-out, Depression, Nierenkrebs: Ruedi Josuran blieb im Leben nichts erspart. Der TV- und Radio-Moderator blickt zurück auf das Corona-Jahr.

Er war jahrelang eine der beliebtesten Radiostimmen der Schweiz (Radio 24, Radio Zürichsee, DRS 1). Seit 2009 moderiert Ruedi Josuran, 63, den Talk «Fenster zum Sonntag» auf SRF1, und er ist für das christliche Medienunternehmen ERF tätig. Josuran litt viele Jahre an schweren Depressionen, hatte ein Burn-out und erlitt vor elf Jahren einen schweren Herzinfarkt, von dem er sich gut erholte. Ende 2019 dann die Schockdiagnose: bösartiger Nierenkrebs. Der zweifache Vater lebt mit seiner Frau Esther in Stäfa (ZH) und ist zudem ausgebildeter Career-, Gesundheits- und Life-Balance-Coach mit Schwerpunkt Burn-out-Prävention. Zu diesen Themen hat er Bücher verfasst und hält auch Vorträge darüber. Ferner engagiert sich Ruedi Josuran im Vorstand des Vereins Equilibrium für Depressions-Betroffene und deren Angehörige. Der gläubige Medienmann wuchs katholisch im Tessin auf, seit Jahren ist er aber Mitglied einer Freikirche.

Herr Josuran, Ende des vergangenen Jahres wurden Ihnen zwei bösartige Tumore in der rechten Niere entfernt. Wie geht es Ihnen heute?
Sehr gut. Aber die Diagnose war ein richtiger Schock für mich. Die Tumore wurden bei einer Routine-Untersuchung entdeckt, und eine Zeit lang war nicht klar, ob der Krebs gestreut hatte. Doch ich hatte Glück, und ich musste auch keine Chemotherapie machen.

Es war also ein Zufallsbefund?
In der Tat. Ich hatte auch keine Schmerzen. Bei der Untersuchung gab es ein paar Auffälligkeiten im Bereich der Niere, was die Ärzte allerdings nicht beachteten. Meine Hausärztin hingegen verspürte einen Impuls, die Berichte ein zweites Mal zu lesen, und meinte, ich solle nochmals zur Kontrolle. Normalerweise schaue sie sich Berichte nicht zweimal an, sagte sie mir später.

Ihre Hausärztin hat durch ihr Handeln Schlimmeres verhindert. Sie sind gläubig und sehr spirituell. Ein Zeichen?
Ja, für mich war das ein Wink von oben. Davon bin ich fest überzeugt. Es hätte auch ganz anders kommen können. Ich bin sehr dankbar für dieses Geschenk – auch meiner Hausärztin gegenüber.

Das heisst aber auch, dass medizinische Früherkennung eminent wichtig ist.
Ja, ab 50 sollte jeder zur Routine-Kontrolle. Werden gewisse Krebsarten frühzeitig erkannt, sind die Chancen zu überleben gross. Ich kannte einen Mann, der sich immer abwertend über medizinische Vorsorge äusserte. Er erkrankte schliesslich an Prostatakrebs und starb sehr schnell daran. Ich war früher auch zwiespältig gegenüber Routine-Checks eingestellt und tat es als Luxus ab. Aber medizinische Kontrollen sind die neue Normalität.

Ruedi Josuran: «Ich bin kein Panda, der unter Naturschutz steht!»

Kaum hatten Sie Ende 2019 das Spital verlassen, überraschte uns das neue Jahr mit der Covid-19-Pandemie samt Lockdown. Wie war das für Sie?
Ich hatte mich einigermassen wieder im Alltag eingefunden, da kam Corona und brachte meinen Rhythmus komplett durcheinander. Aber ich gehöre zu den Privilegierten, die weiterhin ihren Beruf ohne Unterbruch ausüben konnten. Nur mein Kalender mit den Veranstaltungen war leer, denn alle meine Vorträge wurden abgesagt. Finanziell tangierte mich dies jedoch glücklicherweise nicht.

Wie haben Ihre Arbeitskollegen auf Sie reagiert, als Sie während der ersten Corona-Welle wieder zurück in der Redaktion waren?
Immer wieder musste ich mir anhören, dass ich wegen meiner Krebserkrankung und auch wegen meines Alters zur Risikogruppe gehöre. Plötzlich arbeitet man mit jüngeren Menschen zusammen, die dich alle schonen wollen und dich mit Samthandschuhen anfassen. Oft sagten sie: «Achtung, das können wir dir nicht zumuten!» Oder: «Wir holen dich ab, damit du nicht den ÖV benutzen musst…» Ich habe ein paar Mal gekontert, dass ich doch kein Panda sei, der unter Naturschutz stehe! Aber so habe ich mich gefühlt.

Waren Sie wegen Ihrer Vorgeschichte besorgt?
Nein. Auch jetzt nicht. Aber ich bin auch nicht leichtsinnig und halte mich an die Regeln und Schutzmassnahmen.

Gibt es positive Aspekte, die Sie aus der Corona-Pandemie ziehen können?
Die Entschleunigung empfinde ich als wohltuend. Meine Frau Esther und ich führen seit 40 Jahren eine sehr gute Ehe, weshalb auch diese spezielle Zeit für uns kein Problem darstellt. Zudem sind unsere Kinder erwachsen und aus dem Haus. Wenn man aber alleine lebt oder in einer Beziehung, die nicht gut läuft, vielleicht noch mit kleinen Kindern, dann kann ich mir gut vorstellen, dass die Situation Probleme verursachen und sehr unangenehm werden kann.

Und beruflich gesehen?
Plötzlich wird einem bewusst, dass viele Sachen nicht zwingend nötig sind. So können Sitzungen problemlos via Videokonferenz von zu Hause aus abgehalten werden. Ich finde es angenehm, wenn ich nicht ständig Termine an verschiedenen Orten wahrnehmen muss. Andererseits stört mich das Digitale im Privatleben, denn ich finde es sehr merkwürdig, beispielsweise Geburtstage virtuell zu feiern.

Warum?
Mir fehlen Umarmungen und der Körperkontakt. Ich will jemandem nahe sein können. Damit konnte ich zu Beginn der Pandemie ganz schlecht umgehen. Doch ich habe mich angepasst und gemerkt, dass ich mich umstellen kann. Das ist wiederum eine gute Erfahrung.

Auch Weihnachten wird dieses Jahr ganz anders sein. Wie verbringen Sie die Feiertage?
Meine Frau und ich werden im kleinen Rahmen feiern. Einen Tag davon mit der Familie und sonst wohl wir zwei alleine. Ich überlege jedoch, wen man besuchen oder einladen könnte, der sonst die Feiertage ganz alleine verbringen würde. Das Teilen von solchen Momenten macht mich glücklicher.

Gehört die Weihnachtsmesse für Sie dazu?
Nicht mehr. Früher besuchte ich meistens die katholische Mitternachtsmesse. Vor allem an Weihnachten erzeugt der Gottesdienst samt Lichtern, Weihnachtsschmuck und Krippen eine besondere Stimmung, die sehr unterhaltend ist. Nun bin ich Mitglied einer Freikirche und besuche regelmässig den Gottesdienst, aber ich gehe gerne auch in andere Kirchen. Glauben bedeutet für mich Teilen mit anderen Menschen. Der Austausch ist sehr wichtig.

Sie sind im Tessin aufgewachsen, ein grosser Teil Ihrer Familie lebt in Norditalien. Ein gemeinsames Weihnachtsfest wird es dieses Jahr wohl nicht geben.
Leider nicht. Meine Verwandten leben in der Lombardei zwischen Brescia und Bergamo. Dort begann die Corona-Explosion zu Beginn des Jahres. Es geht ihnen gut, aber sie haben mir erzählt, dass die Luft um sie herum förmlich brannte. Ich hätte sie so gerne wieder einmal an Weihnachten besucht. Sie zu umarmen wäre so schön. Sobald es wieder möglich ist, werde ich sie sofort besuchen. Darauf freue ich mich schon jetzt!

Christian Franzoso ist Redaktor bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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