«Die meisten haben viel mehr Kraft, als sie glauben»

 Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 17. Dezember 2020

Die Diagnose Brustkrebs erschüttert. Wie eine «Breast and Cancer Care Nurse» Patientinnen auf ihrem schwierigen Weg begleitet, sagt Monika Biedermann.

Frau Biedermann, wie helfen Sie als Breast and Cancer Care Nurse?
Ich sehe meine Funktion als Lotsin. Im heutigen Spitalalltag treffen die Patientinnen auf unzählige Fachpersonen, die für eine bestimmte Zeit oder nur für eine spezifische Handlung zuständig sind. Ich begleite die Patientin über den ganzen Behandlungsprozess hinweg und bleibe als Konstante an ihrer Seite.

Wie sieht Ihr Arbeitstag in etwa aus?
Zuerst besuche ich Patientinnen nach ihrer Brustoperation auf der gynäkologischen Bettenstation und kläre ab: Wie geht es jeder einzelnen Patientin? Braucht eine daheim Hilfe? Worauf soll die andere bei der Narbe achten? Bei welchen Anzeichen soll sie sich melden? Zudem bespreche ich mit jeder das weitere Prozedere. Danach sehe ich möglicherweise eine Frau, die soeben erfahren hat, dass sie an Brustkrebs erkrankt ist. Auch hier kläre ich ab, welche Unterstützung benötigt wird. Meist wiederhole ich das von den Ärzten empfohlene Vorgehen, denn oft können die Patientinnen im Stress nicht alle medizinischen Informationen sogleich aufnehmen. Dann berate ich eine Patientin vor einer Chemotherapie.

Monika Biedermann, Breast and Cancer Care Nurse, Frauenheilkunde, Inselspital Bern

Sind Sie auch bei den Arztgesprächen dabei?
Üblicherweise ist eine Breast and Cancer Care Nurse dabei, wenn eine Frau erfährt, dass sie Brustkrebs hat, oder wir führen nach der Diagnosestellung das Gespräch ohne Ärzte weiter. Dasselbe gilt für die erste Konsultation vor einer Chemotherapie. Manchmal bittet eine Patientin mich, sie zum Arztgespräch zu begleiten, weil vier Ohren mehr hören oder die Erkrankte sich überfordert fühlt.

Wie wichtig ist die emotionale Begleitung?
Eine Krebsdiagnose erschüttert nahezu jeden Menschen in seinen Grundfesten. Krebs stellt das Vertrauen in den eigenen Körper infrage. Warum habe gerade ich Krebs? Wie betrifft meine Erkrankung meine Familie? Wie überstehe ich die lange Behandlungszeit? Psychoonkologinnen geben dann den benötigten Raum und die Zeit, um darüber zu sprechen.

Wie erleben Sie Themen wie den Verlust der Weiblichkeit?
Das ist individuell. Eine Patientin leidet unter der Narbe auf ihrer Brust, eine andere ist überzeugt, dass sich ihr Erleben als Frau ohne Brust nicht verändert. Klar ist, dass Operationen und Therapien ihre Spuren hinterlassen.

Gibt es auch Momente, die Mut machen?
Schön ist es, immer wieder zu erleben, wie viel Kraft in den Menschen steckt, um all das Schwierige zu meistern. Viele Frauen schaffen diese enorme Hürde, obwohl sie zu Beginn nie gedacht hätten, dass dies so möglich wäre.

 

Empfehlen Sie diesen Beitrag weiter: