Interview Jeanne Fürst und Danica Gröhlich, 19. November 2020
Heftige Bauchkrämpfe und Durchfall: Die Darmerkrankung Morbus Crohn kann den Alltag enorm einschränken. Was Linderung bringt, sagt Professor Jan Hendrik Niess.
Herr Niess, wie entsteht Morbus Crohn?
Morbus Crohn ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Magen-Darm-Traktes, bei der unterschiedliche Abschnitte des Darms phasenweise oder auch ständig mit einer Entzündung befallen sein können. Am häufigsten ist das Endteil des Dünndarms betroffen. Die genaue Ursache kennen wir noch nicht. Wir sehen aber eine familiäre Häufung. Erforscht wird, ob sich das Abwehrsystem gegen die Darmbakterien richtet.
Welche Einschränkungen haben Betroffene?
Die Krankheit ist unterschiedlich ausgeprägt. Die häufigsten Symptome sind Bauchschmerzen, Krämpfe sowie Durchfälle bis zu 20 Mal pro Tag. Auch Gelenkschmerzen und verminderte Konzentrationsfähigkeit sind möglich. Im schlimmsten Fall können Betroffene das Haus nicht mehr verlassen oder ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen. Tritt Morbus Crohn bereits in der Jugend auf, so hat das erhebliche Auswirkungen auf die Berufswahl, beim Studium oder für die Familiengründung.
Leiden viele Menschen daran?
Derzeit leiden rund 20 000 Personen in der Schweiz an chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn – Tendenz steigend. Wir essen vermehrt sehr fett- und zuckerreich. Zudem enthalten Lebensmittel mehr Zusatzstoffe. Auch die zunehmende Hygiene und der Einsatz von Medikamenten wie Antibiotika von Kindesalter an könnten eine Rolle spielen. Rauchen verschlimmert die Erkrankung ebenfalls.
Wie stellen Sie die Krankheit fest?
Für die Diagnose sind die Symptome entscheidend. Dann bestimmen wir im Blut und Stuhl die Entzündungswerte. Diese sind bei Morbus Crohn erhöht, im Gegensatz etwa zu einer Laktoseintoleranz. Eine Blutarmut kann ebenfalls ein Indiz sein. Weitere Methoden zur Lokalisierung sind eine Dickdarmspiegelung und Bildgebungsverfahren wie zum Beispiel Ultraschall.
Lässt sich Morbus Crohn heilen?
Heilen können wir Morbus Crohn nicht, aber wir machen deutlich Fortschritte in der Behandlung und versuchen, die Erkrankung in Schach zu halten.
Was bringt die Zukunft für Morbus-Crohn-Patientinnen und -Patienten?
In den nächsten Jahren ist eine Reihe von noch wirksameren Medikamenten zu erwarten. Etwa Immunmodulatoren, welche das Immunsystem verändern, oder Biologika, die in die fehlerhafte Abwehrreaktion des Körpers eingreifen. Ziel der Behandlung ist, eine möglichst gute Lebensqualität mit nur wenigen Nebenwirkungen zu erreichen.