Wenn die Hitze auf den Magen schlägt

Von Danica Gröhlich, 8. Juli 2020

Sommer, Sonne, Stress? Wie Sie eine Magen-Darm-Infektion umgehen. (iStock)

Endlich Sommerferien, doch ausgerechnet dann geht die Verdauung «auf Reisen». Warum das oft so ist und wie Sie Magen-Darm-Infektionen vermeiden.

Bauchkrämpfe, Toilettensprints, Durchfall: Da geht die Entspannung in den lang ersehnten Ferien gleich wieder flöten. Eine Magen-Darm-Infektion, in der Fachsprache Gastroenteritis genannt, hat so manchem den Urlaub verdorben. Weshalb diese unangenehme Entzündung auch hierzulande meist während einer Hitzewelle zuschlägt, erklärt Dr. med. Martin Wilhelmi. Er ist Facharzt für Gastroenterologie und Allgemeine Innere Medizin sowie Ernährungsmediziner in einer Praxis in Zürich.

Herr Dr. Wilhelmi, Sie schauen also «Meteo» und wissen dann, dass Sie Hochbetrieb haben werden?
Ganz so einfach ist es nicht. Hochbetrieb in der Praxis haben wir eigentlich das ganze Jahr. Tendenziell scheinen aber Temperaturen über 35 Grad und über mehrere Tage Magen-Darm-Infekte zu begünstigen, wie Studien zeigen. Wellen von Infektionen, zum Beispiel mit Noroviren, treten dagegen eher im Winter auf.

Warum führen anhaltend hohe Temperaturen zu einer Zunahme von Magen-Darm-Infekten?
Es sind sicherlich hygienische Aspekte und das rasche Verderben von Lebensmitteln bei höheren Temperaturen. Bei infektiösen Gastroenteritiden vermehren sich die Erreger bei sehr warmen Temperaturen schneller.

Haben Magen-Darm-Infekte in den letzten Jahren zugenommen?
Tatsächlich nimmt die Häufigkeit viraler Infektionen im Magen-Darm-Bereich bei über 60-jährigen Menschen zu. Die Gründe sind nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich spielen hier aber auch höhere Mobilität, höhere Bevölkerungsdichte, Klimaerwärmung und andere Faktoren eine Rolle.

Wie wirkt sich Stress aus?
Stress spielt immer eine Rolle. Er kann unsere Immunabwehr schwächen und sogar zu Entzündungen im Magen-Darm-Trakt führen. Stress kann auch die Magen-Darm-Bewegung verändern, wie es bei Patienten mit sogenanntem Reizdarm häufig vorkommt. Hierbei ist negativer Stress (Disstress) beispielsweise im Job eher das Problem als positiver Stress (Eustress) wie etwa Ferienplanung. Hitzeperioden können physischen Stress wie Schwindel oder Herzrasen auslösen sowie psychischen Stress, eine innere Anspannung.

Dr. Martin Wilhelmi, Facharzt für Gastroenterologie und Allgemeine Innere Medizin, Zürich (zVg)

Welche Symptome habe ich bei einer Gastroenteritis?
Magen-Darm-Infektionen lösen Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall aus. In schweren Fällen und bei Erregern, welche die Darmwand durchdringen, kann auch Fieber und blutiger Stuhl auftreten. Bei Fieber, blutigem Durchfall oder Beschwerden, die länger als drei Tage andauern, sollten Sie einen Arzt konsultieren. Insbesondere bei Reiserückkehrern muss auch an exotischere Erreger gedacht werden. Amöben und Malaria sind hier Beispiele. Erbrechen und Durchfall können vor allem auch bei Kindern zu einer schweren Austrocknung (Dehydrierung) führen. Ein Zeichen hierfür ist dunkel gefärbter Urin und trockene Schleimhäute sowie Müdigkeit, Trägheit und Apathie. Auch ältere Personen über 65 Jahre oder Schwangere sollten früher einen Arzt aufsuchen.

Wie sieht die Behandlung aus?
Die meisten Infektionen sind selbstlimitierend, sie hören von alleine auf. Oft hilft eine Nahrungskarenz, der Verzicht auf Nahrung für eine kurze Zeit, oder bereits das Auslassen von Milchprodukten und der Wechsel auf «Schonkost». Salzgebäck, Suppen, Brühen oder Kartoffeln, Nudeln und Reis ohne Gewürze sind meist gut verträglich. Das Wichtigste ist die Rehydrierung: Also trinken, trinken, trinken! Am besten hilft Bouillon, Fruchtsaft oder gezuckerter Tee. Die Menge sollte etwa 40 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht innerhalb von 24 Stunden betragen. Das wären bei 75 Kilo drei Liter pro Tag. In schweren Fällen der Dehydrierung können Elektrolytlösungen aus der Apotheke eingesetzt werden. Antibiotika sind selten nötig. Medikamente, welche die Darmbewegung verlangsamen und «stopfen», sollten bei infektiösem Durchfall eher gemieden werden. Eine Standardlösung können Sie gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO selbst herstellen: Aus vier gestrichenen Teelöffeln Zucker, Dreiviertel Teelöffel Salz, einem Teelöffel Natron und einem Becher Orangensaft auf einen Liter Wasser. Hierdurch wird der Elektrolytverlust ausgeglichen.

Und was lässt sich vorbeugend gegen Magen-Darm-Infekte tun?
Sicherlich ist es das Wichtigste, die üblichen Hygieneregeln einzuhalten, die Hände zu waschen, aber auch die Regeln der Lebensmittelhygiene zu beachten. Gerade auf Reisen im Ausland ist dies unerlässlich. Im Zweifel gilt immer noch die Regel «Cook it, peel it, boil it or forget it!» (Kochen, schälen, braten oder nicht konsumieren!). Gerade im wärmeren Klima, aber auch bei uns im Sommer, verderben Lebensmittel schneller. Falls Reisen in die Tropen wieder möglich sind, sollten rohe Nahrungsmittel, besonders Fleisch oder Fisch, nicht verzehrt werden. Obst und Salat müssen gründlich gewaschen werden. Alle anderen Nahrungsmittel sollten Sie ausschliesslich in gekochtem oder gebratenem Zustand essen, Wasser immer abkochen. Auch Eiswürfel in Getränken sollten Sie meiden, ebenso Milchprodukte und Speiseeis. Zudem haben sogenannte Probiotika in der Prävention von Magen-Darm-Infekten Wirkung gezeigt. Wer wieder nach Südamerika oder Südostasien reisen darf, kann sein Risiko senken durch die Einnahme von Probiotika zwei Wochen vorher bis zur Abreise. Impfungen existieren beispielsweise gegen die schwere Durchfall-Erkrankung Cholera oder Typhus, welche vor Reisen in Entwicklungsländern empfohlen wird. Auch die Impfung gegen Rota- Viren ist möglich. So können Sie Ihre Sommerferien unbeschwert geniessen – ob in der Ferne oder doch in der Schweiz.


Gesund um den Globus

Die häufigsten Erreger für Magen-Darm-Infektionen sind Viren wie Rota-, Noro- oder Adenoviren. Vor allem das Rotavirus gilt weltweit als die häufigste Ursache und wird leicht übertragen durch Körperkontakt, verunreinigte Gegenstände oder auch Wasser und Lebensmittel.

Noroviren sind sehr ansteckend und treten häufig im Herbst und Winter auf. Dies liegt unter anderem daran, dass sie sehr resistent gegen Kälte und Hitze sind und lange vom Menschen übertragen/ ausgeschieden werden. Sie führen zu Erbrechen und starken Durchfällen.

Auch Bakterien oder Parasiten können die Erkrankung auslösen, hier vor allem Campylobacter und E. coli. Salmonellen können vor allem im Spätsommer zu Magen-Darm-Infektionen führen nach dem Konsum von verdorbenen Eierspeisen oder Geflügelfleisch.

Auch Covid kann zu Magen-Darm-Infektionen führen und wird wahrscheinlich noch mehrere Wochen nach einer Infektion im Stuhl ausgeschieden.


Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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