Gut vorbereitet zum Arztgespräch

Von Danica Gröhlich, 24. Juni 2020

Damit Sie sich beim nächsten Arzttermin gut beraten fühlen. (iStock)

Zeitdruck, Fachbegriffe oder eine schlimme Diagnose: Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist essenziell. Was Sie zu einer erfolgreichen Sprechstunde beitragen können.

Mit grossen Hoffnungen kommen viele Menschen zum Arztgespräch, was zu Enttäuschungen führen kann. Das weiss auch Dr. med. Daniel Tapernoux von der SPO Schweizerische Patientenorganisation. «Natürlich ist das nachvollziehbar. Besonders, wenn der Leidensdruck hoch und der Ärztemarathon lang ist. Dennoch stehen oft hohe Erwartungen im Raum, die kaum zu erfüllen sind.» Der Experte für Patientenanliegen empfiehlt deshalb, folgende Fragen unbedingt bei der Ärztin oder beim Arzt anzusprechen: Was erwarte ich und ist dies realistisch? So lassen sich verschiedene Möglichkeiten gut abwägen, was auch für die Behandlung grundlegend sei. «Eine Operation bei einer Prostatakrebs-Diagnose birgt das Risiko für Inkontinenz oder Impotenz. Eine Bestrahlung dagegen weniger, ist aber unter Umständen etwas weniger wirksam und hat andere Nebenwirkungen. Das sind wichtige Entscheidungshilfen.»

Checkliste und Krankenakte

Oftmals stehen die Mediziner unter Zeitdruck. Deshalb ist es für Gesundheitssuchende wegweisend, die kurze Sprechstunde gut zu nutzen. «Grundsätzlich hilft es, sich vorher Fragen zu überlegen, sich eine Checkliste mit den wichtigsten Punkten und auch während des Gesprächs Notizen zu machen.» Wenn es zudem erlaubt ist – auch in Zeiten von Corona – sollten Sie eine Vertrauensperson mitnehmen. In der Eile oder, wenn es bei einer schlimmen Diagnose emotional wird, kann schnell etwas überhört werden. «Eine absolut normale menschliche Reaktion», so Tapernoux. Normalerweise hat ein Spezialist bereits eine Anmeldung mit Informationen aus der Krankengeschichte bekommen. Die gesamte Dokumentation steht Ihnen als Kopie zu, sodass Sie diese einem Arzt auch zukommen lassen können. Bei einer Zweitmeinung kann es manchmal aber auch zielführender sein, sich unvoreingenommen beraten zu lassen.

Fragen erwünscht

Dr. Daniel Tapernoux, Facharzt Innere Medizin, Mitglied der Geschäftsführung SPO (zVg)

Häufig ist die Aufregung oder der Respekt vor diesem wichtigen Gespräch gross. Tapernoux zeigt Verständnis für eingeschüchterte Patientinnen und Patienten. «Ärzte sind auch nur Menschen», beruhigt er. So sollten Sie sich vor der Sprechstunde überlegen: Warum gehe ich zum Arzt und was ist mir wichtig? Zudem rät der Experte: «Fragen Sie unbedingt nach! Das ist entscheidend – für beide Seiten!» Patienten sollten mit eigenen Worten das Gesagte wiederholen. Etwa: Habe ich das richtig verstanden? Ist es so oder so? «Scheuen Sie sich auch nicht, wenn Sie die Fachwörter nicht kennen oder das Gefühl haben, dumm dazustehen.» Fachsprache könne sogar unter Medizinern schwierig sein und unterschiedlich aufgefasst werden. Auch die Ärztin oder der Arzt sollte Rückfragen stellen: «Was haben Sie verstanden? Können Sie es mit Ihren eigenen Worten sagen?» Und wenn mir zu Hause nach dem Gespräch doch noch etwas unklar ist? «Dann sollten Sie unbedingt nochmals nachfragen. Lassen Sie sich im Zweifelsfall bei der Praxisassistenz einen Termin geben, zum Beispiel für ein telefonisches Gespräch. Der Arzt kann sich dann vorher nochmals Zeit für Ihre Fragen nehmen, um alle Unklarheiten zu beseitigen.» Einen Austausch per Mail hält die Patientenorganisation aus Gründen des Datenschutzes und Arztgeheimnisses für eher ungeeignet. Tapernoux fügt an: «Falls Sie beim Spezialisten etwas nicht verstanden haben, können Sie selbstverständlich auch beim Hausarzt nachfragen, sofern er den Bericht bereits bekommen hat. Krankenkassen oder Telemedizin-Anbieter können ebenfalls hilfreich für eine telefonische Beratung sein. Auch wir von der Patientenorganisation können allenfalls weiterhelfen.»

Recht auf Zweitmeinung

Eigene Bedenken sollten in diesem vertraulichen Gespräch ebenfalls Platz finden, ist der Fachmann von der Patientenorganisation überzeugt. Doch dies sei nicht immer der Fall. «Leider hören wir auch Negatives. Zum Beispiel, wenn sich der Patient nicht ernst genommen fühlt.» Was kann ich als Patientin oder Patient machen, wenn die Chemie nicht stimmt oder ich mit der vorgeschlagenen Behandlung nicht einverstanden bin? Da hat Tapernoux nur einen Rat: «Hören Sie unbedingt auf Ihr Bauchgefühl! Suchen Sie das Gespräch mit Ihrem Hausarzt und/ oder bestehen Sie auf eine Zweitmeinung. Haben Sie keine falschen Bedenken, es geht um Ihre Gesundheit! Leben mit dieser Behandlung müssen schlussendlich Sie!» Habe ich denn das Recht auf eine Zweitmeinung und muss ich diese selbst berappen? Der Experte stellt klar: «Sie haben grundsätzlich das Recht auf eine Zweitmeinung.» Gemäss Aussagen von Krankenkassenvertretenden sei auch die Kostenübernahme meist gewährleistet oder es falle gar nicht auf, dass eine Zweitmeinung eingeholt werde. Schliesslich sei es auch im Sinne der Kassen, wenn teure Behandlungen oder Operationen vermieden werden können. «Wenn Sie sicher gehen wollen, fragen Sie vorgängig bei Ihrer Versicherung nach.»

Informiert zum Ziel

Und wie sieht eigentlich die «ideale» Patientin oder Patient aus? Da muss Tapernoux nicht lange überlegen: «Ich kann natürlich nicht für alle Ärzte sprechen und durch meine Arbeit bei der Patientenorganisation habe ich eine andere Sichtweise bekommen. Aber: Informierte und kritische Patienten, die sich mit ihrer Krankheit auseinandergesetzt haben, sind wünschenswert. In der Sprechstunde ist dann mehr Zeit nötig, führt aber etwa bei der Verschreibung von Medikamenten besser zum Ziel, da diese Patienten ganz genau wissen, weshalb sie die Tabletten einnehmen müssen und sie dadurch weniger vergessen.» Inzwischen besteht jedoch auch die «Gefahr» von überinformierten Patienten, weil «Dr. Google» angeblich alles weiss. Dr. Tapernoux warnt: «Das Internet kann Angst machen. Die Einordnung der gefundenen Informationen kann schwierig sein. Auch ich stolpere über Internet-Artikel und kann diese schlecht bewerten. Das haben wir exemplarisch gerade an Corona gesehen, wo sich selbst Fachleute teils widersprechen, und auch ich manchmal Mühe hatte, mir eine Meinung zu bilden.» Dennoch hält er es nicht für falsch, sich im Internet vorzuinformieren. Trotzdem: «Prüfen Sie die Quellenangaben. Fundiert und verständlich Auskunft geben zum Beispiel Patientenorganisationen für bestimmte Krankheiten. Die Betreiber dieser Seiten wissen meist aus eigener Erfahrung, wovon sie sprechen.»

Weitere Informationen und die Möglichkeit für eine telefonische Beratung durch die SPO Schweizerische Patientenorganisation: www.spo.ch


Mögliche Fragen für die Checkliste nach einer Diagnose

  • Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
  • Was sind die Vor- und Nachteile und wie wahrscheinlich sind diese?
  • Welche Methode erfüllt meine persönlichen Erwartungen am ehesten?
  • Welche Ärztin und welches Spital haben damit in meiner Region am meisten Erfahrung?
  • Welche Kosten entstehen für mich durch die Behandlung (z.B. ausserkantonale Hospitalisation)?
  • Wie lange dauert die Behandlung?
  • Welche Folgebehandlungen sind notwendig oder unter bestimmten Umständen?
  • Was sind die Auswirkungen auf meinen Alltag?
  • Was kann ich selbst tun?
  • Was passiert, wenn ich nichts tue?
  • Wie ist die Heilungschance oder gibt es nur eine Linderung?
  • Wie schnell muss ich mich für oder gegen eine Behandlung entscheiden?

Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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