Wer sich gut riechen kann

Von Danica Gröhlich, 4. März 2020

Können wir jemanden an der Nase herumführen? (iStock)

Liebe liegt in der Luft: Wie Pheromone wirken, was einem stinkt und wie die Nase funktioniert.

Frau Prof. Dr. Pause, können «Pheromon-Parfüms» fruchten?
Pheromone – einzelne Duft-Moleküle, die Verhalten hervorrufen – wurden in den 50er-Jahren bei Insekten entdeckt. Es sind jedoch bisher beim Menschen keine Pheromone nachgewiesen. Es gibt tatsächlich viele solcher Pheromon-Versprechen im Internet – etwa, dass man mehr romantische Affären hat oder Geschäftspartner besser überzeugen kann, wenn man sich mit einem bestimmten Stoff einsprüht. Dass das aufgrund eines einzelnen Moleküls funktionieren soll, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Dafür findet man auch im Tierreich, etwa bei Säugetieren, kaum Beispiele. Geruchsinformation wird meist über mehrere Moleküle, die in einer bestimmten Konzentration vorhanden sein müssen, vermittelt. Alle Studien zu Pheromonen, die bisher beim Menschen durchgeführt wurden, widersprechen sich. Wirken Gesichter attraktiver, wenn dieses Pheromon präsent ist? Setzen sich Frauen im Wartezimmer eher auf Stühle, die vorher beduftet wurden?

Welche Rolle spielt denn die Nase bei der Partnerwahl?

Prof. Dr. Bettina M. Pause, Geruchspsychologin, Heinrich Heine Universität Düsseldorf (zVg)

Geruch kann einen starken Einfluss auf die Partnerwahl haben, der aber geht vor allem in die negative Richtung. Das heisst: Er hält uns davon ab, etwas mit jemandem anzufangen, der nicht zu uns passt. Unsere Zellen haben ein individuelles Abwehrsystem – das HLA-System, das humane Leukozyten-Antigen-System. Das ist so individuell, dass praktisch keine zwei Menschen das gleiche haben. Ohne HLA-System könnte sich unser Immunsystem nicht gegen Infektionskrankheiten wehren. Was hat das mit dem Geruch zu tun? Man kann das Genom eines Menschen schlecht von aussen erkennen. Menschen können es aber riechen. Stellen Sie sich vor, wir hätten alle das gleiche HLA-System. Wir wären allesamt gleich gut gegen Erreger geschützt. Aber nun entsteht plötzlich ein neuer Virus, gegen den es keine Verteidigung gibt. Es wäre das Ende der Menschheit. Wenn die HLA-Systeme aber sehr unterschiedlich sind, überlebt ein Teil von uns. Im Sinne der Evolution ist es also sinnvoll, dass Menschen mit unterschiedlichen HLA-Systemen Nachkommen zeugen. Unsere Gene sollen sich mischen, damit wir gegen Infektionen gewappnet sind. Für Nachkommen wäre es ungünstig, wenn sie von genetisch ähnlichen Eltern abstammten.

Wer kann sich also gut riechen?
Wir haben Probanden den Körpergeruch von Menschen mit sehr unterschiedlichen HLA-Systemen zum Riechen vorgelegt. Je verschiedener von ihnen selbst, desto angenehmer fanden sie ihn, was wir auch erwartet hatten. Überraschend war etwas anderes: Stark ablehnend haben die Testpersonen dann reagiert, wenn wir ihnen den Geruch von Menschen vorgesetzt haben, die ein ähnliches HLA-System hatten, die ihnen also genetisch sehr ähnlich waren. Das bedeutet, dass der Geruch uns nicht dabei hilft, den Richtigen zu finden, sondern dem Falschen auszuweichen.

Wie funktioniert unser Geruchsorgan überhaupt?
Jeder Geruch – egal, ob angenehm oder nicht – ist ein chemischer Reiz. Er besteht aus kleinen Molekülen in der Luft, die beim Einatmen auf unser Riechorgan stossen. Aus dem Zusammenwirken vieler Moleküle entstehen die für uns charakteristischen Gerüche: Rosenduft besteht aus etwa 280 und Kaffeearoma aus ungefähr 800 Einzelsubstanzen. Die Moleküle aktivieren spezifische Riechsinneszellen in unserem Gehirn. So entstehen charakteristische Aktivierungsmuster, die sich je nach Geruch klar unterscheiden. Welcher Geruch bei uns Menschen durch ein bestimmtes Molekül hervorgerufen wird, ist nicht vorhersagbar. Die gleichen Gerüche riechen vielmehr individuell unterschiedlich und lösen bei jedem Menschen ein anderes Geruchsempfinden, andere Assoziationen und Emotionen aus. Dieses individuelle Geruchsempfinden ist durch die Biologie der Nase erklärbar: In unserer Nase befinden sich viele Millionen Riechsinneszellen, auf deren Zellwand jeder Mensch etwa 1000 unterschiedliche Andockstellen für die Geruchs-Moleküle hat. So werden einige Moleküle von einer Person besser erkannt als von einer anderen. Eine Person nimmt einen Geruch kaum wahr, während die nächste ihn als holzig und eine dritte Person ihn gar als stinkend empfindet. Unser Geruchssinn ist demnach idiosynkratisch. Das heisst, jeder Mensch erlebt seine ganz eigene private Geruchswelt.

Und was stinkt einem?
Einzigartig an Gerüchen ist auch die Tatsache, dass der Geruchssinn der einzige Sinn ist, der uns Informationen über die Vergangenheit liefern kann. Bilder oder Töne verschwinden schliesslich gemeinsam mit dem Sender dieser Reize. Gerüche können jedoch am Ort verweilen, auch wenn die Quelle des Geruchs längst verschwunden ist. Wenn ein Individuum an einem bestimmten Ort Gefahr erlebt hat und daraufhin Stress empfindet und der Situation entflieht, können die von ihm ausgesendeten Stress-Gerüche Nachkommende vor einer möglichen Gefahr warnen. Gerüche lügen nicht! Wir können zwar lächeln, wenn wir eigentlich traurig oder ängstlich sind, aber wir können nicht geruchliche Signale der Freude ausströmen, wenn wir uns unwohl und gestresst fühlen. Würden Menschen sich an solchen Signalen ihrer Mitmenschen orientieren, könnten sie sich also sicher sein, dass diese echt sind. Gerüche lösen unvermittelt Emotionen in uns aus, wir erleben sie durch und durch, können die Emotionen nicht kontrollieren. Der Geruch eines geliebten Menschen macht uns glücklich, auch wenn dieser gerade nicht da ist. Unser geruchliches Erleben ist stark mit unseren Gefühlen verknüpft und fordert uns nicht selten zum Handeln auf: Bei guten Gerüchen möchten wir der Geruchsquelle immer näher kommen, bei schlechten Gerüchen etwa von verfaulten Eiern fühlen wir uns abgestossen und wollen uns so schnell wie möglich distanzieren. Durch diese Eigenschaft hilft der Geruchssinn uns zu überleben: Er zeigt Brand und Feuer an und er teilt uns mit, wenn Lebensmittel verdorben sind. Gerüche schützen uns mit einer solchen Unmittelbarkeit vor Gefahren, dass wir uns ihnen nicht entziehen können.

 


Immer der Nase nach

Unser Riechorgan kann eine Billion Gerüche unterscheiden, unser Sehsinn hingegen «nur» fünf Millionen Farben. Die renommierte Geruchspsychologin Bettina M. Pause, die seit 2005 Professorin für Biologische Psychologie und Sozialpsychologie an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf ist, hat nun ein Buch über die neusten Erkenntnisse ihrer Forschung geschrieben. «Alles Geruchssache – Wie unsere Nase steuert, was wir wollen und wen wir lieben» (Piper Verlag) ist seit dem 2. März 2020 im Handel.


Danica Gröhlich ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
Empfehlen Sie diesen Beitrag weiter: