Von Danica Gröhlich, 16. Oktober 2019
Niesen, Husten, Schnäuzen während der Stosszeit im Pendlerverkehr – ein Fest für Viren. Wie Sie sich wappnen können.
Kaum naht die kalte Jahreszeit, haben Grippeviren leichtes Spiel. Denn die Influenza, wie die Grippe in der Fachsprache heisst, tritt saisonabhängig auf: Bis September grassiert sie auf der Südhalbkugel im dortigen Winter, danach kommt sie zu uns. Höchste Zeit, sich vor den Erregern zu schützen.
Wo sich Influenzaviren am liebsten tummeln, weiss Dr. Stefan Kuster. Er ist Leitender Arzt an der Klink für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene des Universitätsspitals Zürich. «Im Menschen fühlen sie sich am wohlsten», erklärt er. Da Grippeviren sich ausserhalb eines Wirts nicht vermehren können, brauchen sie diesen, um sich weiter verbreiten zu können. Deshalb befallen sie andere Organismen. Auch im Tierreich sind diese Viren zu finden. So identifizieren Wissenschaftler sie etwa in Vögeln als Vogelgrippe oder sogar in Walfischen.
Übertragung durch Tröpfchen
Um zu wissen, wie und wo eine Übertragung möglich wäre, ist es wichtig, den Weg von Influenzaviren zu kennen. Eine Ansteckung mit Viren erfolgt durch die so genannte Tröpfcheninfektion. Die Krankheitserreger besiedeln den Rachenraum oder den Atmungstrakt. Beim Sprechen, Niesen oder Husten gelangen sie durch winzige Speichel-Tröpfchen in die Luft. Von dort werden sie anschliessend von anderen Menschen eingeatmet. Zudem können Viren über die Hände auf die Schleimhäute und so in den Körper gelangen.
Wie schätzt der Spitalhygiene-Spezialist die Gefahr ein, sich mit einer Grippe an Orten anzustecken, wo sich wortwörtlich viele die Klinke in die Hand geben? Oder auch da, wo Halt gesucht wird – etwa am Griff im Bus oder Tram. Kuster beruhigt. Auf Türfallen würden Grippeviren nicht sehr lange überleben. «Wir können sie zwar noch über mehrere Tage nachweisen. Das heisst aber noch lange nicht, dass es noch infektionsfähige Viren sind.» Im Bus oder Tram sei eine Übertragung durch die Luft viel wahrscheinlicher.
Die beste Vorsorge gegen die infektiöse Erkrankung der Atemwege, die auch lebensbedrohlich werden kann, ist die jährliche Grippe-Impfung. Es gibt aber noch weitere Massnahmen. Wie können Passagiere den Virenangriff im Pendlerverkehr abwehren? Da hat der Arzt nur einen generellen Rat parat: «Der beste Schutz ist hier tatsächlich, Menschenansammlungen zu meiden.» In asiatischen Kulturen seien zwar Mundschutzmasken ein erprobtes Mittel, um sich selbst und auch andere vor einer Ansteckung zu schützen. Bei uns seien diese aber gesellschaftlich noch längst nicht so akzeptiert und würden die Leute eher erschrecken, gibt Kuster zu bedenken. Als gute Massnahme empfiehlt der Hygiene-Experte laut der so genannten Husten-Etikette, immer in ein Papiertaschentuch zu niesen, dieses nach Gebrauch sofort zu entsorgen und sich mit Wasser und Seife gut die Hände zu waschen. Sollten Sie kein Taschentuch zur Hand haben, niesen oder husten Sie in Ihre Armbeuge.
Grippe oder Erkältung?
Mit hohem Fieber von über 38 Grad und starken Kopfschmerzen ist mit einer Grippe nicht mehr an Arbeit zu denken. Betroffene fühlen sich sehr viel kränker als bei einer Erkältung. Auch Schüttelfrost, Husten, Schwindel und Schmerzen in der Brust sowie in den Gelenken und Muskeln kommen vor. Kinder können zusätzlich Übelkeit, Erbrechen und Durchfall haben. Die Grippe kann bei älteren Personen aber auch ohne Fieber verlaufen. Dann unterscheidet sich eine Grippe von einer Erkältung auch meist durch ihren plötzlichen Beginn und die oft heftigeren Symptome. Bis zu zwei Wochen dauert es in etwa, bis eine Grippe ausgestanden ist.
Doch wie lange ist jemand mit Grippe noch ansteckend? Und kann diese Person bereits vor Ausbruch Viren streuen? Der Facharzt hält fest: «In eigenen Studien haben wir keinen Fall gefunden, bei dem jemand vor Ausbruch ansteckend war. Deshalb gilt für uns die Faustregel: Ansteckend ist man dann, wenn man sich krank fühlt und Symptome hat!» In der Regel seien Personen während drei bis fünf Tagen ansteckend, danach trotz Husten meist nicht mehr. Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder Kinder können die Viren jedoch länger weitergeben. Mit kleinen Kindern haben Eltern kaum eine Chance, gesund zu bleiben. Mehr als ein Dutzend Atemwegsinfekte pro Jahr seien für Kinder durchaus normal. Wollen die «kranken Zwerge» dann auch noch im Bett der Eltern schlafen, haben diese praktisch keine Möglichkeit, vor den Viren zu fliehen. Kommt das Grosi oder der Grosspapi hüten, so sollten trotzdem alle auf die Hygiene achten. «Also zum Beispiel nicht Besteck oder Geschirr teilen!», ermahnt Stefan Kuster nochmals.
Schutz für sich und die Liebsten
Eine Grippe ist nichts Harmloses. In der Schweiz führt sie jedes Jahr bis zu 275’000 Konsultationen, welche Hausärztinnen und Hausärzte beim Schweizer Überwachungssystem Sentinella melden. Aufgrund von Krankheitskomplikationen kommt es ausserdem zu mehreren tausend Krankenhausaufenthalten und etwa zu 1500 Todesfällen. Besonders für Senioren kann die Grippe mit ihren Folgeerkrankungen wie einer Lungenentzündung lebensbedrohlich werden. Deshalb sollten sich alle über 65-Jährigen impfen lassen. Auch Personen mit einer chronischen Grunderkrankung, Schwangere, frühgeborene Kinder und alle, die mit ihnen in Kontakt kommen. Laut Bundesamt für Gesundheit BAG ist die beste Zeit für die Impfung von Mitte Oktober bis Mitte November. Nach dem kleinen Pikser dauert es etwa zwei Wochen, bis der Impfschutz voll aufgebaut ist. Er hält vier bis sechs Monate. Weil sich Grippeviren saisonal verändern, ist es wichtig, den Impfschutz jedes Jahr zu erneuern. Eine 100-prozentige Sicherheit, grippefrei durch den Winter zu kommen, gibt es nicht. Die Erkrankung fällt bei Geimpften aber schwächer aus. Und: Mit einer Impfung schützen Sie nicht nur sich, sondern auch andere, insbesondere Ihre Liebsten.
Nationaler Grippeimpftag
Der Nationale Grippeimpftag findet dieses Jahr am Freitag, 8. November 2019, statt. Für 30 Franken können sich Interessierte ohne Voranmeldung in teilnehmenden Arztpraxen und Apotheken impfen lassen. Alle Adressen und weitere Informationen: www.impfengegengrippe.ch