Problemzone Po

Von Nadine A. Brügger, 25. September 2019

Hämorrhoiden sind keine Krankheit – jeder gesunde Mensch hat und braucht sie. Problematisch werden sie erst, wenn sie sich vergrössern. (iStock)

Es gibt Dinge, über die spricht keiner gerne. Hämorrhoiden gehören da für die meisten mit dazu. Grund genug, das juckende, brennende Thema anzusprechen.

Ein gesunder Darm ist dicht. Denn er verfügt über ein ausgeklügeltes Verschluss-System. Ein wichtiger Teil davon: Die Hämorrhoiden. Sie verhindern, dass Speisereste, Flüssigkeit und Gase unkontrolliert austreten. Unsere unbrauchbaren Speisereste sammeln sich erstmal im Mastdarm, auch Rektum genannt. Zwei Schliessmuskeln trennen unseren Stuhl nun vom Darmausgang. Über den inneren Schliessmuskel haben wir keine Kontrolle. Er hält den Darm beispielsweise im Schlaf verschlossen. Den äusseren Schliessmuskel hingegen können wir steuern. Entscheiden wir bewusst, nicht aufs Klo zu gehen, halten wir mit Hilfe unserer Beckenboden-Muskulatur den äusseren Schliessmuskel verschlossen. Der Stuhl bleibt drin. Doch ganz dicht können die Schliessmuskeln unseren Darm nicht verschliessen. Flüssigkeit und Luft könnten entweichen, wären da nicht die Hämorrhoiden.

Hämorrhoiden als Helfer

Hämorrhoiden sind Gefässpolster am oberen Ende des Analkanals. Der Durchschnittsmensch verfügt über deren drei. Sie können sich vergrössern und dicht aneinander legen. Damit verschliessen sie unseren Darm luft- und wasserdicht. Erst, wenn wir unsere Schliess- und Beckenbodenmuskulatur entspannen, verkleinern sich auch die Hämorrhoiden und lassen austreten, was austreten soll. Davon merken wir Menschen allerdings reichlich wenig. Bemerkbar machen die Hämorrhoiden sich für uns erst, wenn sie nicht mehr einwandfrei funktionieren.

Professor Matthias Turina, leitender Arzt Viszeralchirurgie am USZ. (z.V.g.)

«Wir stellen fest, dass langjährige Verstopfung mit häufigem Pressen zu einem Tiefertreten und einer Vergrösserung der Hämorrhoiden – und entsprechenden Beschwerden – führen kann», erklärt Professor Matthias Turina. Er ist leitender Arzt der Viszeralchirurgie am Zürcher Universitätsspital. Treten vergrösserte Hämorrhoiden beim Pressen aus dem Analkanal aus, stören sie. Problematische Hämorrhoiden treten in vier verschiedenen Schweregraden auf. «Beim ersten Grad sind die Hämorrhoiden leicht vergrössert, treten aber auch bei starkem Pressen nicht nach aussen», erklärt Turina. «Beim zweiten Grad sind die Hämorrhoiden bereits so stark vergrössert, dass sie beim Pressen nach aussen treten. Noch ziehen sie sich aber spontan wieder zurück. Beim dritten Grad ist das nicht mehr der Fall. Da muss man die Hämorrhoiden von Hand zurück in den Analkanal schieben. Beim vierten Grad ist auch das nicht mehr möglich. Die Hämorrhoiden bleiben dann aussen», erklärt der Spezialist.

 

«Jungen Patienten fällt es leichter, über Hämorrhoiden zu sprechen.»
Chirurg Mathias Turina

Ernährung, Bewegung, Pillen

Wer oft verstopft ist, und auf dem Klo darum regelmässig pressen muss, neigt eher zu Beschwerden. Wer das verhindert, leistet entsprechend bereits gute Prävention. «Wichtig ist regelmässiger Stuhlgang. Das kann man beeinflussen. Einerseits mit genügend Bewegung. Diese regt den Darm nämlich an. Gerade, wer in seinem Beruf lange sitzt, sollte darauf achten, Bewegung in seinen Alltag einzubauen», erklärt der Viszeralchirurg.

«Einen grossen Einfluss hat auch die Ernährung», fährt Turina fort. «Gegen Verstopfung hilft neben ausreichender Flüssigkeitszufuhr eine faserreiche Diät. Sie besteht unter anderem aus getreidehaltigen Nahrungsmitteln, ballaststoffreichen Flocken, Hülsenfrüchten, frischen Früchten und viel Gemüse. Vermeiden sollten Menschen, die zu Verstopfung neigen, dagegen zum Beispiel Schokolade, weissen Reis oder Weissmehlprodukte wie Toastbrot.» Ist den Verstopfungen so nicht bei zu kommen, bleiben statt Abführmittel weitere natürliche Hilfsmittel. «Sogenannte Stuhlregulanzien sind Quellmittel auf natürlicher Basis, etwa Flohsamenpräparate, die einer Verstopfung entgegenwirken.»

Therapie und Operation

Hämorrhoiden der Stufe eins oder zwei können zudem medikamentös behandelt werden. «Wir verabreichen hier auch Medikamente, die dazu führen, dass sich die Gefässwände zusammenziehen. Das vermindert die Durchblutung der Hämorrhoiden und lindert die Beschwerden meist sehr effektiv», so Turina. Auch Salben können in diesen Stadien Abhilfe schaffen. «Erst ab der dritten Stufe muss man eine Operation in Betracht ziehen», erklärt Turina. Je nach Patient entscheidet der Chirurg sich dafür, die Hämorrhoiden ganz zu entfernen. Weniger einschneidend ist aber eine andere Methode: Hierbei werden nicht die Hämorrhoiden selber, sondern die Schleimhaut oberhalb davon entfernt. So werden die Gefässe, die die Hämorrhoiden mit Blut versorgen, durchtrennt und die Darmwand gestrafft. Die Hämorrhoiden treten nun nicht mehr hervor und sollten entsprechend keine Beschwerden mehr machen. Nach dieser Operation sind die Patienten etwa eine Woche krankgeschrieben. Neben diesen zwei Operationen existieren weitere Techniken wie zum Beispiel die Gummibandligatur oder die Hämorrhoidalarterienligatur.

Hygienemassnahmen

«Stehen die Hämorrhoiden hervor, wird es schwierig, den After gründlich zu reinigen», erklärt Turina. Sekret aus dem Enddarm und Stuhlreste bleiben zwischen den vergrösserten Hämorrhoiden und verursachen Juckreiz und Entzündungen. «Wir raten Patienten aber davon ab, mit Feuchttüchern alles zu putzen. Sie können die Hämorrhoiden noch mehr reizen. Besser ist es, nach dem Stuhlgang den After sanft abzuduschen. Damit können Stuhlreste entfernt werden, ohne dass man die Hämorrhoiden durch das Reiben und Putzen zusätzlich reizt.» Hämorrhoiden sind oft mit Scham verbunden. Turina bemerkt allerdings oftmals einen Unterschied zwischen älteren und jüngeren Patienten. «Die Jungen haben einen anderen Umgang mit ihrem Körper gelernt. Es fällt ihnen oft leichter, über Probleme zu sprechen und sich untersuchen zu lassen.»

«Im schlimmsten Fall sind Juckreiz und Blut ein Zeichen für Krebs.»

Das ist ein grosses Glück. Denn im schlimmsten Fall sind Juckreiz und Blut kein Zeichen für Hämorrhoiden, sondern für eine andere Darmerkrankung. «Viele schieben Beschwerden am After auf Hämorrhoiden und versuchen, sich selber zu therapieren. Dadurch kann es sein, das schwerwiegendere Erkrankungen, wie Krebs, zu lange unbemerkt bleiben.» Turina empfiehlt darum, sich bei Beschwerden am After ärztlich untersuchen zu lassen.

Die Autorin dieses Artikels, Nadine A. Brügger, ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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