Welche Untersuchung macht Sinn?

Von Danica Gröhlich, 12. Juni 2019

Wichtig für Check-ups ist, dass der Arzt die Familiengeschichte kennt. (iStock)

Check-ups: Hinausgeworfenes Geld oder eine gute Investition in die Gesundheit? Männerarzt Marco Caimi behandelt auch Frauen und weiss, was zählt.

Dr. med. Marco Caimi führt eine Männerpraxis in Basel. (zVg)

Herr Dr. Caimi, sorgen sich Männer ebenso um ihre Gesundheit wie Frauen?
Männer kümmern sich immer noch weniger um ihre Gesundheit, aber sie holen auf. Oft müssen Männer von ihren Liebsten dazu motiviert werden. Wenn sie dann zum Arzt gehen, wollen sie Fleisch am Knochen und nicht, dass um den heissen Brei herumgeredet wird. Sie wollen Fakten, quasi die Quartalszahlen ihres Körpers sehen. Frauen dagegen suchen eher das Gespräch und möchten Tipps. Männer sind bei schlechten Werten, etwa beim Cholesterin oder Zucker, dann aber auch bereit, etwas zu ändern. Sie wollen den Change.

Weshalb sind Vorsorgeuntersuchungen wichtig?
Aus zwei Gründen: Einerseits sind Check-ups persönlich sowie medizinisch wichtig, um viel Leid und Schmerzen zu ersparen, wenn eine Krankheit frühzeitig entdeckt wird. Andererseits aus ökonomischer Sicht, da durch Prävention auch Folgekosten gesenkt werden können.

Welche Check-ups machen denn Sinn?
Eigentlich alle. Natürlich ist das Messen der Knochendichte bei einer jungen, vitalen Frau rausgeworfenes Geld. Tritt dagegen Dickdarmkrebs in der Familie auf, dann sind Check-ups bereits ab 40 Jahren sinnvoll. Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Arzt die Familiengeschichte kennt und dann entscheidet, wann welche Untersuchung Sinn macht.

Könnte die gezielte Krankheitssuche aber auch zu Fehldiagnosen und «falschem Alarm» führen?
Das ist leider richtig. Deshalb bespreche ich die Laborwerte immer persönlich mit meinen Praxisbesuchern und schicke ihnen das Datenblatt niemals unkommentiert nach Hause, womöglich noch an einem Freitagabend. Im schlimmsten Fall sehen die Leute nur rot, weil die Werte, die auch nur leicht von der Norm abweichen, inzwischen rot hervorgehoben sind. Dann wird übers Wochenende wie wild im Internet gesucht, Begriffe verwechselt – hyperton und hypoton – und am Schluss landen sie völlig verzweifelt im Notfall, weil sie überzeugt sind, dass es ihnen sehr schlecht gehe. Ein Arzt dagegen setzt beim Gespräch die Befunde in Relation, erwähnt auch gute Werte oder veranlasst eine Nachkontrolle, denn auch ein Labor kann einmal einen Fehler machen. Ebenfalls wichtig zu wissen: Ein Radiologe beispielsweise muss in seinem Bericht jeden Millimeter beschreiben, damit er nicht belangt werden kann. Jede kleinste Abnützung am Lendenwirbel steht dann drin, auch wenn die meisten diese ab 50 haben.

Müsste die mentale Gesundheit oder das Gedächtnis auch untersucht werden?
Das gehört auf jeden Fall zu einer guten Anamnese. Wie geht es Ihnen? Wie ist Ihr Gedächtnis? Wenn dann jemand sagt: «Ich bin furchtbar vergesslich», frage ich nach, ob es ernst ist. Denn sonst wird der Klient für einen halben Tag einer Memory-Klinik zugewiesen. Ich gehe auf die Lebenssituation einer Person ein, zur Burnout-Prophylaxe auch auf Stress: Wie waren die letzten Monate, hatte sie oder er Sorgen mit den Kindern, dem Partner oder auf der Arbeit?

Sprechen denn Männer mit Ihnen auch über intime Themen wie Probleme auf der Toilette oder im Bett?
Männer, die zu mir kommen, reden von sich aus darüber. Sie sagen etwa: «Es ist toll mit meiner Frau, aber ich habe keine Lust mehr.» Auch Erektionsstörungen werden in meinem Sprechzimmer aktiv angesprochen. Wer soll sonst fragen? Der Dorfpfarrer, Notar oder jemand am Stammtisch? Meine Routine-Fragen: «Sind Sie zufrieden mit Ihrem Strahl, tropft es nach oder müssen Sie mehr als einmal pro Nacht aufstehen?»

Wer bezahlt die Vorsorgeuntersuchung?
Das hängt vom Versicherungsstatus ab, was von der Krankenkasse übernommen wird. Eine Präventivuntersuchung kostet etwa 200 Franken. Das sollte es einem doch wert sein. Schliesslich zahlen wir zur eigenen Sicherheit für neue Winterpneus auch über 1000 Franken – ohne mit der Wimper zu zucken.

Was raten Sie denen, die Angst haben, dass bei ihnen etwas Schlimmes gefunden werden könnte?
Es gehört einfach zum Erwachsensein, dass man sich dem stellt und sich nicht wie ein kleines Kind versteckt. Denn eine Vogel-Strauss-Politik kann tödlich sein! Dickdarmkrebs zum Beispiel ist frühzeitig erkannt heilbar, da er meist aus vorerst gutartigen Darmpolypen entsteht. Viele haben falsche Vorstellungen, glauben, dass eine Darmspiegelung schlimm sei. Dabei trinken Sie zur Darmentleerung einfach zwei Liter einer speziellen Lösung, dann rumpelt es ein bisschen, anschliessend folgt ein kleines Stichli in den Arm für den Schlauch mit dem Narkosemittel Propofol, damit Sie gleich schlafen. Innert fünf Minuten sind Sie wieder voll da, bekommen Kaffee und ein Sandwich. Das wars. Und glauben Sie mir: So richtig gereinigt, ist ein befreiendes Gefühl. Und das Ganze wird nicht wie bei der Dentalhygiene jedes halbe Jahr wiederholt, sondern nur alle zehn oder bei familiärem Risiko alle fünf Jahre. Bei der Vorsorge ist also Information und Kommunikation wichtig, um Ängste herunterzufahren. Vorsorge bedingt zudem: Wer A sagt, muss auch B sagen!


Der Berufsverband der Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe rät:


Diese Check-ups sind sinnvoll

  • Blutdruckmessung: Männer und Frauen, ab 18, alle drei bis fünf Jahre.
  • Cholesterin-Messung: Männer zwischen 35 und 65, Frauen zwischen 45 und 65, alle fünf Jahre. Patienten mit Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ab der Diagnose.
  • Diabetes-Screening: Frauen und Männer, ab 45, alle drei Jahre. Bei Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Übergewicht, Typ-2-Diabetes in der Familie, Diabetes in der Schwangerschaft ab der Diagnose. Häufigkeit mit dem Arzt absprechen.
  • Glaukom-Screening (grüner Star): Männer und Frauen, ab 50, alle zwei bis drei Jahre. Ab 40 bei Risikopatienten (grüner Star in der Familie, Übergewicht, hoher Blutdruck, starke Kurzsichtigkeit). Häufigkeit absprechen.
  • Gebärmutterhals-Abstrich (PAP): Ab 21 für sexuell aktive Frauen, alle drei Jahre bis 70.
  • Dickdarmspiegelung: ab 50 für Frauen und Männer alle zehn Jahre bis 75. Bei Risikopatienten (Dickdarmkrebs in der Familie, chronische Darmentzündungen, Darmpolypen) ab 40 (bzw. 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des Verwandten) alle fünf Jahre oder in Absprache mit Arzt. Alternativ kann der Test auf Blut im Stuhl durchgeführt werden, alle 2 Jahre, und nur mit einem immunologischen Test, der spezifisch menschliches Blut nachweist. Nur empfehlenswert, wenn Patienten bei positivem Befund zur Darmspiegelung bereit sind.

Check-ups für Risikogruppen

  • Mammographie (Brustkrebs): Für Frauen ­ohne Risikofaktoren (familiäre Häufung) gibt es keine grundsätzliche Empfehlung zur Vorsorgeuntersuchung. Für Frauen ab 40 mit Risikofaktoren alle zwei Jahre.
  • PSA-Bestimmung (Prostata): Keine Emp­fehlung bei Männern ohne Risikofaktoren. Bei Männern mit familiärer Belastung ab 50, bzw. 10 Jahre vor dem Zeitpunkt der Diagnose des Verwandten.

Die Autorin dieses Artikels, Danica Gröhlich, ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.
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