Was braucht es, um zu sterben?

Von Danica Gröhlich, 15. Mai 2019

Sorgen Sie vor, damit Ihre Angehörigen nicht vor schweren Entscheidungen stehen. (iStock)

Im Leben ist nur der Tod gewiss. Doch viele von uns verdrängen ihn. Dabei wäre eine geregelte Vorsorge so wichtig.

Nicolas Gehrig, Geschäftsführer und Gründer von «DeinAdieu.ch» (zVg)

Alles rund ums Sterben und das eigene Ableben wird meist totgeschwiegen. Warum ist das immer noch ein Tabu-Thema? «Es sind wohl die grössten Ängste, die Menschen haben, und über die man deshalb nicht spricht», vermutet Nicolas Gehrig, Geschäftsführer und Gründer von «DeinAdieu.ch». Mit dieser ersten Schweizer Online-Plattform ihrer Art, die seit drei Jahren online ist, will der 36-Jährige Menschen sensibilisieren und Hilfestellungen zur Vorbereitung auf «die letzte Reise» bieten. Mit überwältigendem Erfolg: Über 300’000 Besuche pro Jahr verzeichnet die Seite für die kostenlose Bestattungsplanung, für Patientenverfügungen – ausgearbeitet mit Experten für Klinische Ethik des Universitätsspitals Zürich – oder dem Testament-Generator.

«Eigentlich hatten wir mit unserer Plattform ein eher jüngeres Zielpublikum angepeilt, doch wir wurden überrascht», gibt Gehrig zu. «Wir haben derzeit vor allem zwei Altersgruppen: In der ersten sind 45- bis 55-Jährige, in der zweiten über 65-Jährige. Erstaunlicherweise klicken mehr Frauen auf unsere werbefinanzierte Seite.» Er vermutet, dass Frauen sich eher mit diesen Themen auseinandersetzen und sie weniger verdrängen. Zudem befinden sich die Frauen der ersten Gruppe meist in einer «Sandwich-Position»: Sie wollen ihre Kinder versorgt wissen und machen sich als Töchter noch zusätzlich Gedanken. Deshalb nehmen sie die Sache dann selbst in die Hand und kümmern sich beispielsweise um eine Patientenverfügung für die Eltern. Testamente dagegen werden von Frauen und Männern gleichermassen ausgefüllt. Etwa 2500 werden jedes Jahr als PDF erstellt. Der Testament-Generator sei so einfach wie möglich gehalten und für diejenigen gedacht, die beim Vererben mehr haben als nichts und doch keine extremen Verhältnisse. Der Ausdruck wird zu guter Letzt von Hand abgeschrieben und hinterlegt. Eine Beglaubigung sei nicht nötig.

Gehrig will die Angst nehmen. «Eine gute Vorsorge ist gar nicht so eine Sache. Viele denken, sie müssten zu einem Anwalt gehen und Tausende von Franken ausgeben. Oft genügt es auch, sich zu informieren und das Wichtigste in die Wege zu leiten. Das ist besser, als gar nichts zu tun.» Um folgende Dokumente sollten Sie sich unbedingt kümmern.

Patientenverfügung
Mit einer Patientenverfügung bestimmen Sie, wie Sie medizinisch behandelt und gepflegt werden wollen, falls Sie urteilsunfähig werden. Sie halten fest, welchen lebenserhaltenden und begleitenden Behandlungen Sie zustimmen und welche Sie ablehnen. Zum Beispiel: «Ich möchte nicht durch eine Magensonde oder mittels Infusion künstlich ernährt werden.» Die Patientenverfügung wird nur angewendet, wenn Sie sich nicht mehr äussern können oder urteilsunfähig sind. Sie kann auch eine Person bezeichnen, welche an Ihrer Stelle über medizinische Massnahmen entscheiden darf. Ihre Patientenverfügung bestätigen Sie mit Ort, Datum und Unterschrift. Am besten überprüfen Sie die Patientenverfügung alle zwei Jahre. Dieses Dokument sollte für die Angehörigen im Ernstfall schnell greifbar sein. Zusätzlich lohnt es sich, je eine Kopie bei Ihrem Arzt und bei der Vertretungsperson zu deponieren sowie eine Hinweis-Karte im Portemonnaie zu tragen, wie die Pro Senectute rät. Steht ein Spital- oder ein Heimeintritt an, ist die Patientenverfügung mitzunehmen.

«Aus unserer Sicht müsste jeder eine Patientenverfügung haben», erklärt Nicolas Gehrig von «DeinAdieu.ch». Jeder könne einen Unfall haben und urteilsunfähig werden. Wichtig ist, eine Person zu bevollmächtigen, die dann nicht zu emotional reagiere, sondern kühlen Kopf bewahre und in der Lage sei, Entscheide zu fällen. Ist keine Patientenverfügung vorhanden, so muss der Ehepartner, eingetragene Partner oder Konkubinatspartner entscheiden. Laut Erwachsenenschutzrecht folgen dann erst die Nachkommen, die Eltern und schlussendlich die Geschwister.

Vorsorgeauftrag
Laut Definition kann mit einem Vorsorgeauftrag eine handlungsfähige Person für den Fall ihrer eigenen Urteilsunfähigkeit eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen mit der Erledigung der von ihr definierten Angelegenheiten beauftragen.

Wird zum Beispiel ein Immobilien-Besitzer urteilsunfähig, kann ohne Vorsorgeauftrag keine andere Person über diese Immobilie verfügen. Konkret: Liegt ein Hausbesitzer für zwei Jahre im Koma und eine Hypothek muss erneuert werden, so kann selbst seine langjährige Lebenspartnerin nichts machen, sie ist blockiert. Ein Vorsorgeauftrag regelt das. Er ist vor allem für Lebenspartner im Konkubinat wichtig, denn ein gesetzliches Vertretungsrecht kommt nur Ehegatten zu. Möglich ist es auch, unterschiedliche Personen für die drei Bereiche der Vermögens- und Personensorge sowie als Vertretung im Rechtsverkehr einzusetzen. Vielleicht ist die Tochter besser geeignet für Finanz-Angelegenheiten, während sich der Sohn eher in Fragen der Pflege auskennt. Auch ein Jurist ist einsetzbar. Der Vorsorgeauftrag muss strengen Formvorschriften genügen, um gültig zu sein. Er wird wie ein Testament eigenhändig verfasst, datiert und unterschrieben. Können Sie das Dokument nicht mehr alleine schreiben, hilft Ihnen ein Notar dabei.

Testament
Ab welchem Alter sollte man sich laut Ökonom und HSG-Absolvent Gehrig Gedanken über den letzten Willen machen? Eigentlich könne man beim Schreiben eines Testamentes nie zu jung sein. Es gelte hier dasselbe wie bei einer Krankenkassen-Versicherung: Möglichst dann abschliessen, wenn man noch topfit ist. Einzige Voraussetzung: Man muss mindestens 18 Jahre alt und mündig sein. Und wer soll ein Testament verfassen? Gehrig rät: «Sobald man ein gewisses Vermögen, Kinder oder eine Partnerschaft hat, sollte man sich Gedanken machen und sich fragen: ‚Was passiert, wenn ich kein Testament habe?‘ Bei Verheirateten gilt zum Beispiel das Güter- vor dem Erbrecht». Manchmal passe auch die gesetzliche Erbfolge: Kinder, Eltern, Grosseltern. Stirbt ein Alleinstehender ohne Eltern, würden seine Geschwister alles erben, wenn kein Testament vorhanden ist. Und: Lebe ich ohne Trauschein mit jemandem zusammen, sollte ich diese Person im Testament begünstigen. Sonst würde sie leer ausgehen.

Konto
«Sowohl Verheirateten als auch Nicht-Verheirateten empfehlen wir, dass beide Partner zum gemeinsamen noch ein eigenes Konto mit Erspartem besitzen», erklärt Finanz-Experte Gehrig. Denn stirbt einer der beiden Partner, sperrt die Bank das Konto im Interesse der Erben. So kann es Monate dauern, bis alle Unklarheiten beseitigt und alle Erben gefunden wurden. Im schlimmsten Fall hat die oder der Hinterbliebene kein Geld mehr, um etwa die Miete zu bezahlen und überhaupt noch durch den Alltag zu kommen. «Da hören wir oft erschütternde Geschichten, wenn neben der Trauer noch finanzielle Sorgen dazukommen.» Die Rechnungen für die Bestattung können jedoch bei der Bank eingereicht werden.

Die Autorin dieses Artikels, Danica Gröhlich, ist Redaktorin bei «gesundheitheute», der Gesundheitssendung am Samstagabend auf SRF1.

Hier finden Sie Hilfe zur Vorsorge

  • Vorlagen, Testament-Generator, Bestattungsplaner sowie weitere Ratgeber kostenlos: DeinAdieu.ch
  • Die Pro Senectute hilft persönlich beim Verfassen Ihrer Wünsche und beim Ausfüllen der Vorsorgedokumente: prosenectute.ch

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